DOCUMENTA KASSEL 16/06-23/09 2007

Salon des Refusés


Nicht nur die anhaltenden und sich verschärfenden Diskussionen um Stellenabbau, Manager-Gehälter und Hartz IV machen deutlich: Die Selbstdefinition unserer Gesellschaft anhand der Erwerbsarbeit steckt in einer tiefen Krise. Dieses Erbe der Moderne zeigt sich mehr und mehr als Falle, die sowohl individuelle Lebenskrisen als auch kollektive Verunsicherung verursacht. Doch die aktuellen Diskussionen um die Zukunft der Arbeit bleiben meist dem Mythos ihres Gegenstands verfallen und lösen sich zu selten von der Fixierung auf Erwerbsarbeit als (alleinige) Rechtfertigung für individuelle und kollektive Ermächtigung. Da die Erwerbsarbeit – zumindest in Deutschland – nach wie vor der wichtigste Bezugspunkt für Identitätsbildung ist, wird für immer mehr Menschen ein positiver Selbstentwurf erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht.
Die seit den 1970er Jahren in den westlichen Gesellschaften erfolgten Umbrüche und Umstrukturierungsprozesse der Arbeit haben auch in Kassel und in der Region zu einem starken Abbau von Arbeitsplätzen geführt: Hohe Arbeitslosenzahlen und die damit verbundene und im Stadtbild deutlich sichtbare Armut verweisen auf die Krise der Arbeitsgesellschaft und machen sie zu einem ständigen Begleiter und (negativen) Identitätsstifter vieler BewohnerInnen der Stadt.


Eine Arbeitsgruppe des documenta 12 Beirat hat sich diesem drängenden Thema mit einer eigenen Aktivität gewidmet: Im Geiste der historischen „Arbeiter-Hochschulen“ wurde ein Salon des Refusés gegründet, in dem Erwerbslose und Erwerbstätige gemeinsam das Thema der Krise der Erwerbsgesellschaft erforschten und bearbeiteten. Zu dieser Auseinandersetzung luden sie lokale ExpertInnen, KünstlerInnen der documenta 12 und die Gäste der documenta 12 sowie die lokale Öffentlichkeit ein. In regelmäßigen Salon-Gesprächen wurden Facetten der Krise der Erwerbsgesellschaft besprochen – und Wege zum Umdenken vorgeschlagen. Die documenta 12-Künstler Jürgen Stollhans und Allan Sekula stellten ihre künstlerische Arbeit vor und erläuterten die Entwicklung deren thematischer Ausrichtung entlang der deutschen Geschichte der Sozialdemokratie zum Einen und dem Zusammenhang von Arbeit, Globalisierung und Protestbewegungen zum Anderen. In Zusammenarbeit mit der Kunstvermittlung wurden zwei thematische Vermittlungsprojekte realisiert und mit knapp 100 Erwerbslosen die Ausstellung besucht und diskutiert. Eine eigene Filmreihe widmete sich dem Thema und bot weiteren Anlass für Diskussionen um das Heute und Morgen der (erwerbs-)arbeitenden Gesellschaft.

www.salon-des-refuses.blogspot.com









 
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