DOCUMENTA KASSEL 16/06-23/09 2007

d9 1992


Jan Hoet, künstlerischer Leiter der documenta 9 von 1992, beschrieb die Ausstellung als „eine documenta der Orte“ und eine, „die allein vom Künstler, seinem Werk“ ausgehe. Hoet verfolgte mit der documenta 9 kein theoretisches Konzept und bot keinen übergeordneten thematischen Rahmen mehr an, und kündigte damit ein Prinzip der documenta auf, das mindestens seit der d5 maßgeblich den Charakter der Ausstellung prägte. Stattdessen sah Hoet die wesentliche Aufgabe der aktuellen Kunst darin, mit konkreten subjektiven Erfahrungen einer immer stärker ins Virtuelle abgleitenden Realität zu begegnen. Exemplarisch können dafür die Videoinstallation „Anthro/Sozio“ (1992) von Bruce Nauman im Eingangsbereich des Fridericianums stehen, die die physische Bedrohung des Subjekts zum Thema machte, oder die Außeninstallation „Toilette“ (1992) des russischen Künstlers Ilya Kabakov, der eine russische öffentliche Toilette nachbauen ließ und durch Mobiliar und persönliche Gegenstände als Wohnung kennzeichnete. Hoets Ansatz war emotionsbezogen und die Ausstellung erlebnisorientiert, wobei die Vielfalt der aktuellen Kunstszene gezeigt wurde, ohne sie systematisch zu strukturieren oder normativ zu bewerten. Zugleich bemühte sich Hoet, eine Vielzahl neuer, bislang nicht von der documenta besetzter Räume zu belegen, und weitete den Aktionsradius der Ausstellung auf sieben Häuser und viele Stellen im Außenraum aus. Neben den klassischen Orten Fridericianum und Orangerie wurden die Neue Galerie, das Treppenhaus der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) und erstmals das Naturkundemuseum Ottoneum, temporäre Bauten in der Karlsaue und die von den Architekten Jochem Jourdan und Bernhard Müller neugebaute documenta-Halle hinter dem Theater als Ausstellungsorte hinzugewonnen. Der Charakter der an diesen Orten platzierten Kunst nahm zum Teil die örtlichen Vorgaben auf, wie z.B. in der Neuen Galerie, wo die Kunstwerke als Kommentare der vorhandenen Dauerpräsentation installiert waren, oder folgten dem Prinzip des ’Displacement’, bei dem Objekte in fremden Zusammenhängen gezeigt wurden, wie bei der Präsentation einiger Werke im Naturkundemuseum Ottoneum.

Ins Rahmenprogramm der d9 wurden auch Jazz und die sportlichen Disziplinen Boxen und Baseball aufgenommen. Diese Ausweitung des Konzepts wurde als zentrale Metapher für Kunst und Leben verstanden und trug nicht unerheblich zur enormen Popularität der d9 bei. Zum ersten Mal in der Geschichte der documenta fanden über eine halbe Million Besucher den Weg nach Kassel.






 
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